Tauziehen

Tauziehen

Tauziehen, ein Sport mit langer Tradition

Der Tauziehsport ist jenseits des Klischees von Bierzeltgaudi und Kinderbelustigung seit sehr langer Zeit eine ernsthaft betriebene Sportart. Unter anderem war Tauziehen Bestandteil der Olympischen Spiele der Neuzeit und wurde dort bis 1920 als Wettkampf ausgetragen. Auch in Südbaden hat Tauziehen eine lange Geschichte, und bis heute befindet sich in unserer Region die Hochburg dieses Sport in Deutschland.

Tauziehen ist ein relativ einfach durchzuführendes Kräftemessen zwischen zwei Mannschaften. Der Wettkampf kann durchaus hart sein, ist aber in aller Regel sehr fair. Es gibt keinen Körperkontakt zwischen den Mannschaften, sodass es nicht zu direkten Aggressionen kommt. So wird sportliche Betätigung mit Wettkampfgedanken und die friedliche Begegnung von Menschen auf gerade zu ideale Weise verbunden. Ein Beweis hierfür sind die herzlichen Beziehungen vieler Vereine untereinander, auch über nationale Grenzen hinweg.

Tauziehwettbewerbe finden in der Regel immer als Turnier mit mehreren Mannschaften statt. Eine Mannschaft besteht im Seniorenbereich aus 8 Ziehern plus einem Coach und einem Betreuer. Um nicht allzu große Unterschiede auf Grund der körperlichen Konstitutionen zuzulassen wird in verschiedenen Gewichtklassen gezogen. Die populärste Klasse ist hierbei die 640kg-Klasse oder auch Mittelgewichtklasse genannt, mit einem sich ergebenden Durchschnittsgewicht von 80kg. Daneben gibt es hauptsächlich die Leichtsgewichtklasse mit bis zu 600kg für die Mannschaft und die Schwergewichtsklasse mit 720kg Gewichtsbeschränkung. In selteneren Fällen wird auch in der 560kg oder 680kg-Klasse gekämpft. Für die Jugend und Frauen gibt es eigene Klasseneinteilungen. Das Gewicht der Mannschaft wird vor dem Wettkampf ermittelt, startberechtigt ist sie wenn das Gewicht der Gewichtsklasse nicht überschritten wird.

Der eigentliche Wettkampf findet auf einer Rasenfäche statt. International hat zwar auch das Hallentauziehen eine gewisse Verbreitung gefunden, bei uns spielt dies aber bis jetzt keine Rolle. Die Mannschaften treten meist zuerst in einer Vorrunde gegeneinander an. Hierbei kommt es zu Begegnungen zwischen allen Mannschaften in einer Gruppe. Je nach den Ergebnissen der Vorrunde kommen verschiedene Mannschaften in die Finalrunde und ermitteln hier den Turniersieger. Findet der Wettkampf im Zuge einer Liga statt, werden je nach Platzierung Punkte an die Mannschaften vergeben, die dann in Tabelle aufsummiert werden. Am Ende der Runde wird dann so der Meistertitel vergeben.

Zum Ziehen selbst wird ein Seil mit mindestens 33,5m Länge und 100 bis 125mm Umfang aus Hanf oder Kunstfaser verwendet. In der Mitte befindet sich eine rote Markierung nach der das Seil zu Beginn von einem Schiedsrichter ausgerichtet wird. Je 4m links und rechts davon befindet sich eine weiße Markierung, welche die erforderliche Zugdistanz signalisiert und nochmal einen Meter weiter eine gelbe Markierung an der die Mannschaften Aufstellungen nehmen. Der Schiedsrichter gibt das Kommando ‚Seil auf‘ und die Mannschaften nehmen das Seil vom Boden auf. Nach dem Kommando ‚Spannen‘ darf jeder Zieher einen Absatz in den Boden schlagen und das Seil leicht anspannen. Der Schiedsrichter hat jetzt noch einmal die Möglichkeit durch Handzeichen an die Mannschaften die Mitte des Seils in die Platzmitte zu bringen, bevor er mit dem Kommando ‚Pull‘ das Ziehen freigibt. Sobald eine Mannschaft die weiße Markierung des Gegners über die Mitte gezogen hat, ist der Zug entschieden und der Schiedrichter pfeift ab. Ein Zug dauert typischerweise im Bereich von einer bis mehreren Minuten. Ein Zeitlimit gibt es auf nationaler Ebene noch nicht.

Um Platzunterschiede auszugleichen wird nach einem Seitenwechsel ein zweiter Zug durchgeführt. Je nach Turniermodus kommt es im Falle eines Unentschieden zu einem Entscheidungszug mit Platzzuteilung durch Losglück oder eine evtl. Punktegleichheit wird nach der Vorrunde zugunsten des niederen Mannschaftsgewicht entschieden.

Während dem Zug überwacht der Schiedsrichter die Einhaltung der Regeln und spricht im Fall von Missachtungen Verwarnungen aus, die bis zur Disqualifikation der Mannschaft für diesen Zug führen können. Regelverstöße sind zum Beispiel das Absitzen oder Abstützen mit den Händen, da dies zu einen ungerechten Vorteil führt. Insgesamt sind 10 Regelverstöße definiert. Alles in allem ein eher übersichtliches Regelwerk. Hilfsmittel am Seil sind außer einem Mittel zur Unterstützung der Hände, in der Regel Baumharz, keine erlaubt. Auch die Tauziehschuhe unterliegen gewissen Beschränkungen. Der Absatz besteht aus einer planen Eisenplatte, eine Profilierung der Sohle ist nicht erlaubt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Materialfrage in den Vordergrund tritt.

In jüngerer Vergangenheit finden auch zunehmend Frauen Zugang zu dieser ehemaligen Männerdomäne. Leider reicht die Anzahl der Zieherinnen nicht zur Durchführung eines Ligabetriebs mit reinen Damenmannschaften. Unser Regelwerk erlaubt aber auch gemischte Mannschaften, sodass einige Frauen auch im bestehenden Ligabetrieb zum Einsatz kommen. Eine vereinsübergreifende Damenmannschaft, die ‚Südbaden Mädels‘ nehmen als Gastmannschaft bei der Schweizerfrauenliga teil. Auch bei verschiedenen internationalen Wettbewerben kamen deutsche Frauenmannschaften schon zum Zuge.

Wie oben bereits angedeutet befindet sich in Südbaden die Hochburg der deutschen Tauziehszene. Nicht nur gibt es in unserem Verband die größte Anzahl von aktiven Mannschaften, auch qualitativ mischen unsere Teams ganz vorne mit. Von 8 Bundesligavereinen in der 640kg-Klasse stammen aktuell 6 aus Südbaden. Auch bei deutschen Meisterschaften in den restlichen Klassen sind südbadische Mannschaften typischerweise ganz vorne zu finden. Erfreulicherweise kann seit einigen Jahren auch international Paroli geboten werden. Sowohl bei den Nationalmannschaften als auch bei den offenen Vereinsvergleichen konnten Erfolge eingefahren werden, gekrönt von Weltmeisterschaftstiteln in der 640kg- und der Jugendklasse, selbstverständlich mit starker Beteiligung unseres Verbandes.

Die starke Beteiligung an der Bundesliga hat leider die Landesliga in der 640kg-Klasse etwas ausgedünnt. Zwar konnten in der Vergangenheit immer wieder Gastteams aus anderen Verbänden gewonnen werden und einige Bundesligateams traten mit einer zweiten Mannschaft auch in der Landesliga an, doch reduziert sich der Stamm auf vier feste Mannschaften. Da mag man sich etwas wehmütig an die Zeiten Mitte der achtziger Jahre zurück erinnern, als unter Beteiligung von mehreren Mannschaften der kanadischen Streitkräfte es Landesligaturniere mit bis zu 14 Mannschaften gab. Aber eben in dieser Zeit schafften einige Mannschaften, gestärkt durch die harte Konkurrenz, den dauerhaften Sprung in die erste Liga. Sehr erfreulich entwickelt sich seit ihrer Einführung die Jugendliga. Im letzten Jahr traten bis zu 10 Mannschaften bei den Wettbewerben an, was sicher der Grundstock ist für die internationalen Erfolge der Jugendnationalmannschaft, aber auch generell den jungen Talenten genügend Möglichkeiten gibt Erfahrungen zu sammeln, bevor der Einsatz in den Seniorenklassen möglich und sinnvoll ist.
(2009-01-03 / jh)

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